Ein Azubi erzählt
© SFBLS Neuwied

Hallo, mein Name ist Justin. Ich besuche zurzeit die Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in Neuwied. Hier absolviere ich meine Ausbildung zum Bürstenmacher. Ich befinde mich gerade im 3. Lehrjahr, voraussichtlich bin ich im Sommer 2025 fertig.
Danach weiß ich schon wie es weitergeht. Ich habe das Glück, dass mich die Blindenwerkstätte in Betzdorf übernimmt. Denn ich habe in meinem letzten vierwöchigen Praktikum meinen Arbeitsvertrag unterschrieben. Mit dem Chef konnte ich meine Arbeitszeiten absprechen, damit ich mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln gut hin- und zurückkomme. Mein Gehalt orientiert sich am Mindestlohn.
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Kurz zu mir! Ich bin 22 Jahre alt und ich komme aus dem Kreis Altenkirchen in Rheinland-Pfalz. Zuerst habe ich eine Berufsschule mit der Fachrichtung Fahrzeugtechnik besucht. 2017 wurde bei mir eine Augenerkrankung (RP = Retinitis Pigmentosa) diagnostiziert, woraufhin ich innerhalb eines Jahres 70% meiner Sehkraft verloren habe. Aufgrund der Augenerkrankung bin ich auf die Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in Neuwied gewechselt. Dort bekomme ich ein Bildschirmlesegerät, eine Lupe, ein PC-Arbeitsplatz mit Beleuchtung und ein iPad bereitgestellt, aber auch pdf-Schulbücher und Arbeitsblätter passend für meine Sehfähigkeiten gestaltet. Hier werde ich deutlich besser gefördert, als auf der vorherigen Berufsschule.
An der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in Neuwied habe ich zuerst meinen Berufsfachschul-abschluss in der Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung gemacht, um die Mittlere Reife zu erwerben.
Danach bin ich in einem achtwöchigen Praktikum während meiner Berufsfachschule auf die Ausbildung zum Bürstenmacher aufmerksam geworden. Da ich immer schon ein Fan von handwerklichen Tätigkeiten bin, hat mir das Praktikum sehr gut gefallen. Deshalb wollte ich die Ausbildung gerne hier an der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in Neuwied machen.
Die Ausbildung kostet sehr viel. Die Agentur für Arbeit finanziert mir diese Ausbildung. Deshalb war mir schon zu Beginn meiner Ausbildung klar, dass ich am Ende der Ausbildung einen Arbeitsplatz in der Blindenwerkstätte in Betzdorf sicher haben werde.
Nun zur Ausbildung an sich!
Es gibt drei Ausbildungsjahre. Nach dem 2. Lehrjahr gibt es die Zwischenprüfung, die vor der Handwerkskammer abgelegt werden muss. Am Ende des 3. Lehrjahres ist ebenso die Abschlussprüfung vor der Handwerkskammer abzulegen. Bei bestandener Prüfung wird der Gesellenbrief ausgestellt.
Der Berufsschulunterricht findet direkt auf dem Gelände der Blindenschule in Neuwied statt. Der Berufsschulunterricht ist jeden Dienstag und Mittwoch. Mittwochs habe ich nur halbtags Unterricht und dann geht es zurück in den Ausbildungsbetrieb, welcher auch auf dem Gelände ist. In der Schule werden Fächer wie Deutsch, Mathe, Ethik, Sport, Sozialkunde/ Wirtschaftslehre, Fachzeichnen und die Berufsbezogene Fachtheorie unterrichtet.
Besonders viel Spaß und Interesse habe ich in Fachzeichnen. Denn im 3. Lehrjahr durfte ich mit dem 3D-Drucker der Schule eigene Produkte drucken. In Tinkercad, einem open source Programm, habe ich zuerst eine 3D-Skizze von dem Bürstenkörper gezeichnet. Das fiel mir leicht. Nach wenigen Erklärungen, konnte ich sofort mit Tinkercad durchstarten. Dann musste ich diese Skizze, zur Vorbereitung auf den 3D-Druck, in einem weiteren PC-Programm umwandeln und einzelne Druckparameter festlegen. Zum Beispiel, wieviel Kunststoff ich für den 3D-Druck verbrauchen will. Anschließend ging ich zum 3D-Drucker und lernte dort alle Einstellungen kennen, um den Druck zu starten. Häufig wurden zuerst Probedrucke angefertigt, dann mit Tinkercad noch einmal überarbeitet, bevor das endgültige Produkt mit dem 3D-Drucker gedruckt wurde. Als der endgültige Bürstenkörper gedruckt war, habe ich die Bürste noch mit Bestückungsmaterial eingezogen. Dann war die erste 3D-Bürste fertiggestellt.
Mein Wissen und meine Erfahrungen über den 3D-Druck darf ich auch bei meinem ersten Arbeitsplatz in der Blindenwerkstätte in Betzdorf mit einbringen. Der Betrieb freut sich auf mich und möchte mit mir zusammen Bürstenkörper per 3D-Druck produzieren.
Das finde ich total cool und spannend.
von Justin Köpke