„Fahr los, let‘s go!“
Autofahren für Blinde und Sehbehinderte in Bitburg
„Komm‘, nicht lang reden, steig mal ein - ich geb‘ dir ein paar Emotionen!“ So lässt sich ein ganz besonderes Projekt gut beschreiben, welches 10 Jugendliche aus dem Internat der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte Neuwied am 1. Mai auf dem alten Militärflughafen Bitburg erleben durften.
Gemeinsam mit Daniel Reinemann und seiner Fahrschule konnten sie trotz ihrer Sehbeeinträchtigungen einige Stunden lang am Steuer verschiedener Fahrschulautos sitzen, Runde für Runde Gas geben, selbst erzeugte Fliehkraft spüren und noch viel mehr. Selbstwirksamkeit pur!
Außerdem hatten alle die Gelegenheit, in besonderen Sportwagen mitzufahren: rasante Porsches, ein Mercedes-Oldtimer, ein cooler Lotus, um nur ein paar zu nennen.
Den Eingangssatz hat im Nachgespräch ein Jugendlicher mit Autismus wiedergegeben. Emotionen zu empfinden ist in seinem Fall schwierig. Aber beim Mitfahren im Porsche passierte es. „Wir sind in den Porsche gestiegen und Daniel hat Vollgas gegeben. Dann war da natürlich Freude, absolut Freude! Ich mag halt Geschwindigkeit.“
Ümi, eine blinde junge Erwachsene, erklärt ihre Eindrücke folgendermaßen: „Ich habe mich total ernstgenommen gefühlt. Dann durfte ich selbst in einem Fahrschulauto Gas geben, schnell fahren und selber lenken. Der Fahrlehrer hat mir immer beschrieben, wo ich hinfahren soll, hat ganz konkret gesagt, wie ich das Lenkrad drehen musste und anschließend durfte ich das selbst machen. Da gab es Fahrlehrer, die haben mir völlig vertraut und nicht eingegriffen. Ich habe mich total frei gefühlt, so selbstständig … Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich jemals Auto fahren kann.“ Dieses für andere beim Erwachsenwerden ganz normale Geschehen bleibt Jugendlichen mit Seheinschränkungen normalerweise verwehrt.
Der 17jährige Daniel konnte nach etwas Übung sein Fahrschulauto am schnellsten beschleunigen. „Das meiste, was ich auf dem Tacho hatte, waren ungefähr 120 km/h. Das war schon cool. Das war ein Erlebnis, etwas Neues für mich.“
Es gab aber an diesem Tag ein Highlight, was den Jugendlichen - wie Helena es selbst formuliert - ganz besonders in Erinnerung bleiben wird: Selbst einen LKW fahren und steuern zu dürfen. Bestimmt alles andere als alltäglich.
Jeremy fasst auch das prägnant zusammen: „Am meisten hat mir das LKW fahren gefallen. Das war ein gigantisches Fahrzeug. Man hat so hoch oben gesessen, da habe ich mich ganz riesig gefühlt. Die Hupe, mitten im Lenkrad, die tiefen Laute haben mir sehr gefallen. Der Fahrlehrer hat mir das gut erklärt. Er hat mir auch gesagt, wann ich stärker lenken muss. Der hat das so gemacht, dass ich selbst fahren konnte. Ich darf normalerweise ja gar nicht fahren mit einer Sehbehinderung. Aber LKW fahren ja auch die meisten sehenden Menschen nicht, deshalb ist das nochmal was ganz Besonderes gewesen.“
So oder ganz ähnlich haben es auch Lena, Niclas, Maurice, Ole und Willi empfunden.
Ein ganz herzlicher Dank gilt Daniel Reinemann, seinem Fahrschulteam und den vielen weiteren Beteiligten, die dieses Event zu einem unvergesslichen gemacht haben, außerdem für die unendliche Geduld, das Einfühlungsvermögen und die Selbstverständlichkeit, mit der sie den Jugendlichen der Landesschule jetzt schon zum dritten Mal begegnet sind.
Besser als Yasin kann man es nicht ausdrücken: „Wir Blinde hatten auf jeden Fall nicht das Gefühl, dass wir wie Blinde Auto fahren, sondern dank den Fahrlehrern wie Sehende.“